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Das wäre der VCM 2020 gewesen

Über den Marathon, der nie stattgefunden hat: Es war alles angerichtet für ein ganz besonderes Wochenende

Hätte, hätte, Laufrakete. Am Sonntag, 19. April hätte der Vienna City Marathon 2020 stattgefunden. Es kam bekanntlich anders. Es gab kein Rennen, keine Ergebnisliste und keine Sieger. Alle wissen wir: Es gibt jetzt Wichtigeres. Wir versuchen aber ein Bild zu zeichnen von diesem Marathon, der nie zur Welt gekommen ist.

Mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs

Bis Anfang März lief alles auf einen Marathon der Rekorde hinaus. Es war alles angerichtet für ein ganz besonderes Wochenende. Mehr Läuferinnen und Läufer als je zuvor, österreichische wie internationale, hatten sich für einen der VCM-Bewerbe angemeldet. Das Interesse deutete sogar auf eine Gesamtmeldezahl von 45.000 hin. Allein im Marathonbewerb hätte es zum ersten Mal seit fast 20 Jahren über 10.000 Anmeldungen gegeben. Mit der Coronakrise schlug die Stimmung um. Angangs waren wir im VCM-Team fest überzeugt, mit zahlreichen Vorkehrungen und Adaptierungen die Veranstaltung dennoch durchführen zu können. Das erwies sich bald als Trugbild. Die Maßnahmen der Regierung und der Ausblick auf monatelange Einschränkungen stoppten jäh die Vorbereitungen. Wir waren mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs und mussten von einem Moment auf den anderen zum Stillstand kommen. Das geht nicht ohne Schleudern und Blessuren. Einen Totalcrash konnten wir gerade noch verhindern.

Begeisterung wie seit Langem nicht

Davor haben wir einen Antrieb in der Laufszene gespürt wie seit Langem nicht. Warum? Das haben wir uns selbst gefragt und ein paar mögliche Antworten gefunden: Unser Team war im ganzen Jahr davor bei so vielen Laufevents präsent wie noch nie, um den Vienna City Marathon zu bewerben. Der großartige VCM 2019, bei dem Wetter, Stimmung und Spitzenleistungen hervorragend zusammenfanden, mag eine Rolle gespielt haben. Wir haben die VCM Winterlaufserie kostenlos für Marathon- und Halbmarathonläufer angeboten – drei von vier geplanten Läufen sind bereits mit Rekordbeteiligung über die Bühne gegangen. Wir haben das kostenlose VCM Trainingsangebot mit gemeinsamen Läufen, Trainingsplänen und kompetenter Betreuung auf neue Beine gestellt. Der Winter bot sensationelle Bedingungen zum Laufen, jedenfalls im Großraum Wien und außerhalb weniger Alpinregionen. Die besten österreichischen Marathonläuferinnen und -läufer im VCM Team Austria haben schon im Dezember gemeinsam ihren Start bekannt gegeben und damit das sportliche Interesse auf den VCM gelenkt. Und schließlich gab es Eliud. Der 1:59-Marathon von Eliud Kipchoge am 12. Oktober in der Prater Hauptallee hat Läuferinnen und Läufer einfach elektrisiert. Genau hier zu laufen, auf der Rekordstrecke des ersten Marathons unter zwei Stunden, das wollten sehr viele erleben.

Neuerungen waren fix geplant

Fast alle Produktionen waren bereits geplant und bestellt. Rund 2.500 Helferinnen und Helfer hatten sich Zeit genommen und waren für die verschiedenen Bereiche eingeteilt. Für den Samstag hatten wir eine attraktive Neuerung in Abstimmung mit Polizei und Behörden fixiert. Der Start für Vienna 10K und Vienna 5K wäre erstmals in unmittelbarer Nähe zur Marx Halle erfolgt, wo sich die Vienna Sports World mit der Startnummernausgabe befindet. Für die Teilnehmenden wäre das Event kompakter geworden, weil der Weg zum bisherigen Start im Prater weggefallen wäre. Der VCM Kinderlauf über zwei Kilometer und der Coca-Cola Inclusion Run hätten unverändert stattgefunden. Das Interesse bei diesen beiden kürzesten Läufen war ebenfalls besonders hoch. Die Laufinitiative The Daily Mile, die der VCM im September an österreichischen Volksschulen gestartet hat, ließ auch die Begeisterung für den VCM Kinderlauf steigen. Und der Coca-Cola Inclusion Run wollte sogar an der 1000-Teilnehmer-Marke kratzen. Die Voranmeldungen für den Lauf im Zeichen eines gesellschaftlichen „Miteinand“ waren vielversprechend. In jedem Fall wäre ein starkes Signal für gesellschaftliche Inklusion ausgesandt worden, inklusive finanzieller Unterstützung für Special Olympics Österreich.

Durch das Kipchoge-Ziel

Mit der VCM Carbo Loading Party im prächtigen Festsaal des Wiener Rathauses und einem Beethoven-Konzert eines Ensembles der Wiener Philharmoniker in der Staatsoper wären am Samstag zwei populäre Side-Events am Programm gestanden, die es auf diese Weise nur in Wien so geben kann. Die Hospitality-Bereiche und die Medal Plaza am Rathausplatz war fertig geplant. Alle Partnerfirmen – Zeltbauer, Tontechniker, Tribünenbauer, Caterer, Handwerker, LKW-Fahrer, Sanität, IT, … und und und – hätten den Zielbereich in eine Arena für tausende Emotionen verwandelt. Am Sonntag hätte der ORF wieder eine mitreißende Live-Übertragung hingezaubert. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hätte seine Premiere als Co-Kommentator im Sport gegeben. Unsere Moderatoren und die Crew des Fan-TV für Start und Ziel hätten den Zieleinlauf und alle großen Screens bespielt. Auf der Reichsbrücke wäre in großen Buchstaben #glaubandich gestanden, und zehntausende Läuferinnen und Läufer hätten hier ihr Rennen begonnen. Auf der Ringstraße wäre der Beethoven Marathon live aus dem Musikverein eingespielt worden. Unsere Fotografen hätten die schönsten Momente festgehalten. Die Ö3-Challenge wollte als Staffel mit 42 Läuferinnen und Läufern unter der Weltrekordzeit von Eliud Kipchoge bleiben. Wir hätten das Ziel der INEOS 1:59 Challenge an Ort und Stelle im Prater noch einmal aufgebaut, sodass alle Marathonläufer bei Kilometer 31 und 35 durchgelaufen wären. „Run Vienna. Run the Marathon Star.“ – Dieses Motto hätte sich an vielen Stellen der Veranstaltung gefunden. Wenn wir zu viel daran denken, dann macht es wehmütig. Wir hatten bereits begonnen, die Bewerbung für den VCM 2021 zu planen. Die ersten Messebesuche bei den – mittlerweile abgesagten – Frühjahrsmarathons wurden eingegleist, ein neuer Eventfolder war in Fertigstellung.

Österreichs Topläufer waren bereit

Das Wetter wäre nahezu perfekt gewesen. Angenehm sonnig und knapp über 20°C am Samstag. Kühler mit rund 12 °C am Sonntag, nur wenig Wind, ein paar Regentropfen am Vormittag.

Spitzensportlich war alles für ein grandioses Rennen vorbereitet. Aus Österreich war das beste Team vereint, das es je gegeben hat. Marathonrekordler Lemawork Ketema (2:10:44) wollte erstmals eine Zeit von 2:09 Stunden laufen. Valentin Pfeil hätte alles in die Waagschale geworfen, um das Olympialimit von 2:11:30 zu unterbieten. Das Gleiche hatte Eva Wutti vor – ihre Olympia-Zielzeit lautete 2:29:30. Marathondebütant Timon Theuer ließ auf eine Topleistung hoffen. Er hatte im Februar mit 62:34 Minuten eine Spitzen-Halbmarathonzeit hingelegt. Ebenso zeigte sich Christian Steinhammer mit einem 63:37 Halbmarathon in Top-Form. Stephan Listabarth war drauf und dran, in seiner Heimatstadt eine starke Marathonleistung zu zeigen. Christian Robin wäre als Pacemaker im Einsatz gewesen. Victoria Schenk bereite sich auf ihre persönliche „159 Minuten Challenge“ vor und wollte die Marke von 2:40 Stunden knacken. Peter Herzog, der bereits das Marathon-Olympiaticket in der Tasche hat, war auf ein richtig schnelles Halbmarathonrennen programmiert.

Dazu stand ein Meisterschafts-Triple am Plan, das es in dieser Form noch nie gegeben hat. Es hätten gleichzeitig die nationalen Marathon-Meisterschaften von Österreich, Ungarn und der Slowakei stattgefunden.

Internationale Stars wollten nach Wien

Auch darüber hinaus wäre dem VCM Aufmerksamkeit sicher gewesen. Mark Milde hatte für das World Athletics Gold Label Rennen ein hochkarätiges internationales Feld zusammengestellt. Die Marathonrekordler der Schweiz (Tadesse Abraham), aus Deutschland (Arne Gabius) und aus Polen (Henryk Szost) konnten wir bereits Anfang März bekannt geben. Noch viele weitere Spitzenläufer hatten sich für einen Start in Wien entschieden, darunter das Nationalteam von Eritrea, das hier seine Olympiaqualifikation laufen wollte. Damit wären unter anderem der langjährige Halbmarathon-Weltrekordler Zersenay Tadese und der Marathon-Weltmeister von 2015, Ghirmay Ghebreselassie, beim VCM gestartet. Die aktuell schnellste deutsche Marathonläuferin Melat Kejeta (2:23:57) und die Rotterdam-Marathon-Siegerin Visiline Jepkesho (2:21:37) aus Kenia hätten das Frauenfeld angeführt.

Statt „hätte“ und „wäre“: Ja, ich mache

Sehr viel wäre. Sehr viel hätte. Sehr viel Ambition, Training und Schweiß, die zehntausendfach nicht ins Ziel führten. Es ist eben der Marathon, der nicht stattgefunden hat. Was in den letzten Monaten ebenfalls bereits passiert ist, sind Aktivitäten unserer Partner bei VCM Charity. Durch die Absage ging den Organisationen eine wichtige Möglichkeit verloren, Spenden zu sammeln. Im Vorjahr waren es insgesamt 170.000 Euro. Sie alle sind von Corona unmittelbar betroffen, weil sie Menschen helfen, die zur Risikogruppe gehören oder es gerade jetzt besonders gefordert sind: Kinder und Familien mit schweren oder seltenen Krankheiten, Kinder in familiären Krisen oder Armut, Obdachlose.

• MPS – Hilfe für Kinder mit dieser seltenen Stoffwechselerkrankung
• Hilfe für „Schmetterlingskinder“
• Arche Herzensbrücken – für Familien mit schwer kranken Kindern
• Momo – mobiles Kinderhospiz Wien
• Kindernothilfe – Straßenkinder / Hilfe in Krisengebieten
• RAINBOWS – Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche nach Trennung/Scheidung der Eltern oder dem Tod eines geliebten Menschen
• Samariterbund

Wirf einen Blick auf www.vienna-marathon.com/charity. Wenn Du willst, kannst Du hier eine Organisation Deiner Wahl unterstützen. Damit wird aus „wäre“ und „hätte“ etwas Konkretes und Tatsächliches.


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Wir werden natürlich, wie schon per E-Mail angekündigt, mit einem Angebot zum Nenngeld an die zum VCM 2020 gemeldeten Läuferinnen und Läufer zukommen. Das ist völlig klar. Wir wollen eine zufriedenstellende Lösung für die Teilnehmer finden, die auch den Fortbestand der Veranstaltung ermöglicht. Ebenso werden wir, wie ebenfalls schon angekündigt, eine Lösung für bestellte Zusatzleistungen vorlegen (zum Beispiel T-Shirts, Gutscheine für die VCM Carbo Loading Party, Fotopakete, ...). Für all das benötigen wir noch etwas Zeit und bitten um Verständnis.

Wir haben natürlich auch daran gedacht, einen virtuellen VCM zu organisieren und zu einer Laufaktion auf Distanz aufzurufen. Letztlich haben wir uns aber dagegen entschieden, um nicht eine Situation entstehen zu lassen, in der die Einhaltung der Abstandsregeln schwierig wird, da viele Teilnehmer doch in Wien und Umgebung leben. Auch wollten wir nicht dazu beitragen, dass zu viele Menschen sich auf der VCM-Strecke bewegen, die abgesehen von der Prater Hauptallee ja nicht für den Verkehr gesperrt ist.

VCM News / AM